Vorschriften und Regelungen gibt es überall wo gebaut wird. Aber gerade bei behinderten-“gerechten“ Bauten und Umbauten hat man sich teilweise Normen einfallen lassen, die nichts mehr mit gerecht zu tun haben, denn manchmal gereicht die Vorschrift dem Behinderten oder seinen Helfern eher zum Nachteil. Kurt Wanke, selbst querschnittsgelähmt, hat sich hierüber am Beispiel des Umbaus von Bädern aus eigener Erfahrung Gedanken gemacht. Es hat sich allerdings auch mehrfach gezeigt, daß die Schwierigkeiten mit diesen Vorschriften nicht nur bei einem Umbau im häuslichen Bereich auftreten, sondern zum Teil auch in Einrichtungen und Kliniken.
Es gibt Aufgaben, die scheinen schon auf den ersten Blick vertrackt; andere erweisen sich erst bei näherer Betrachtung als heikel, oder am Ende gar unlösbar. Eine ganz kniffelige Sache ist in aller Regel der Umbau oder Einbau von Naßzellen gemäß (oder angelehnt an) DIN 18025.
Das beginnt schon damit, daß diese Norm nicht zwischen den unterschiedlichen Formen und Schweregraden der Behinderung differenziert, vielmehr alles unter einen Hut zu bringen versucht, und damit das unverzichtbare Eingehen auf den künftigen Nutzniesser verhindert.
Es gibt in dieser Norm aber noch andere Ungereimtheiten, etwa die Vorschrift, daß Türen von Naßräumen grundsätzlich nach aussen aufgehen müssen. Was in öffentlichen WC-Anlagen mit groß dimensionierten Vorräumen ja durchaus sinnvoll sein mag, schlägt im privaten Wohnungsbau ins Gegenteil um. Das gilt erst recht für den Fall nachträglicher Umbauten, wo unter Umständen der gesamte Grundriß verändert werden muß, ganz zu schweigen von der Unfallgefahr, die zum Flur hin öffnende Türen zwangsläufig mit sich bringen. Aber angenommen, diese Punkte sind einvernehmlich abgehakt, und die allgemein gültigen Regeln (z. B. rutschfeste Fliesen, Lüftungsmöglichkeit etc.) werden beachtet, bleiben noch zwei Punkte offen, die über die Behinderten-Eignung des umgebauten Bades entscheiden, nämlich 1.) die Breite und Art der Tür (rollstuhlgängig?) sowie 2.) Art und Form der Badewanne beziehungsweise der Dusche.
Es geht aber auch viel einfacher und billiger, indem man Türzargen mit abgeschrägter Laibung ein baut. Das Türblatt bleibt dabei völlig unverändert, und von der Rauminnenseite gesehen unterscheiden sich Tür und Zarge nicht von konventionellen Lösungen. Aussen jedoch ist die Tür - je nach Wandstärke - um 15 bis 37 Zentimeter breiter, als bei rechtwinklig durch die Wand geführten Zargen. Der Zugewinn an Bewegungsfreiraum im Türbereich ist verblüffend, und die Mehrkosten für derartige DELTA-Zargen sind minimal. Doch nicht nur beim Umbau von Bädern sind diese Zargen optimal, und der Architekt wird es begrüßen, daß die Ästhetik seines Bauwerks nicht leidet; im Gegenteil!
Viel problematischer ist aber die sachgerechte Festlegung der Bade- beziehungsweise Duschmöglichkeit. Hier sollte sich der Planer/Architekt weder auf sein eigenes Fachwissen noch allein auf die Vorstellungen des Behinderten verlassen, sondern sollte unbedingt Kompetenten Rat erfahrener Fachleute einholen. Je älter und unbeweglicher der Behinderte wird, desto schwieriger wird für ihn nämlich die Benutzung einer Badewanne. Daran ändert auch ein Badewannen-Lifter kaum etwas, egal ob mit Federdruck, hydraulisch oder batteriebetrieben.
Das Problem liegt letztlich darin, daß der Benutzer eines solchen Gerätes die Beine über den Wannenrand hieven muß, und das bei gleichzeitiger Drehung um 90 Grad, während der bei den meisten Geräten die Rückenlehne auch nicht zur Verfügung steht. Für Querschnittgelähmte sind derlei Sitze schon deshalb nicht geeignet, weil sie nicht gepolstert sind, und aufgeweichte Haut schon nach kurzem Sitzen auf hartem Untergrund zu Druckstellen mit allen bekannten Folgen neigt.
Nun sind wir Deutschen ja für unsere Gründlichkeit bekannt (und belächelt...) und die DIN 18025 ist ein weiterer Beweis dafür, daß man Meßlatten prinzipiell so hoch legen sollte, daß man aufrecht unten durchmarschieren kann. Wer es sich zur Aufgabe macht, der Norm in jedem Detail gerecht zu werden, wird in den meisten Fällen scheitern.
Heißt das aber, daß man alles beim alten belassen sollte? Mitnichten! Mit etwas Phantasie und der Bereitschaft zu Kompromissen lassen sich meist Lösungen finden, die das Wohnumfeld Behinderter ganz entscheidend verbessern, ohne buchstabengetreu der Norm zu entsprechen. Unter diesem Aspekt ist es fraglich, ob die Schaffung eines normgerechten Duschplatzes überhaupt ins Auge gefasst werden sollte, denn zwangsläufig sind gravierende Eingriffe in den Fußbodenaufbau unumgänglich. In den meisten Fällen wird es nicht ohne Schaffung eines neuen versenkten Wasserablaufs gehen, und dann ist unausweichlich auch der darunterliegende Raum von den Umbauarbeiten betroffen.
In jedem Fall muß eine zuverlässige Feuchtigkeitssperre eingebaut werden, was wiederum nicht ohne neue Fliesen machbar ist. Die Kosten für solch einen tiefgreifenden Umbau erreichen schnell fünfstellige Größenordnung, und Zuschüsse sind heute noch schwerer zu erhalten als früher.
Es gibt einen weich gepolsterten Dusch und Pflegesitz, der sich ohne Werkzeug auf die Wanne auflegen Iässt, und eine Sitzfläche in optimaler Sitzhöhe bildet. Der immer wiederkehrende Einwand, daß dabei doch zwangsläufig das ganze Bad überschwemmt und die Pflegekraft selbst naß wird, ist rasch widerlegt: das Ganze funktioniert indes nur dank der mitgelieferten Softstrahl-Brause, die jeder vom Friseur kennt.
Jeder Figaro benutzt heute eine Perlator-Handbrause, die nicht spritzt! Die Pflegeperson hat dabei noch den Vorteil, im Stehen arbeiten zu können, mit optimalem Zugriff zur Intimregion. Es würde hier den Rahmen sprengen alle Einzelheiten zu erläutern. Wer den Umbau seines Bades scheut oder zumindest zurückstellen möchte, kann weitere Unterlagen formlos beim Verfasser dieses Beitrags anfordern.
Zum hier abgehandelten Themenkreis gibt es inzwischen Regale voll einschlägiger Literatur, wobei mir zwei Bücher besonders gefallen: einmal ,Lebenslauf-Wohnen" von Architekt Volker Doose, das besonders interessante Überlegungen zur Nutzung einer Wohnung in guten wie in schlechten Zeiten enthält (zu beziehen über die „Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten“, Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim) und zweitens die „Bibel“ zum Thema Bauen nach DIN 18024/18025, das Buch „Barrierefrei Bauen für Behinderte und Betagte“ von Prof. Axel Stemshorn. (Verlag Alexander Koch, Leinfelden, ISBN 3-87422-611-5), erhältlich im Buchhandel. Der Preis von etwa 200 Mark für das letztgenannte Buch ist angesichts des Gebotenen mehr als angemessen, zumal schon die geringste Fehlplanung unter dem Strich wesentlich teurer kommt.
Der Würzburger Diplomkaufmann ist durch einen Arbeitsunfall seit 1985 querschnittsgelähmt. Er befaßt sich mit dem Lebensumfeld Behinderter und hat durch direkte Erfahrung bereits einige Hilfsmittel entwickelt.
Veröffentlicht in:
not
|