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Der Medizinische Dienst und die Krankenkasse

Wer kennt das nicht: Nach einem Krankenhausaufenthalt oder damit man gar nicht erst in die Klinik muß, verordnet der Hausarzt häusliche Krankenpflege. In der Regel soll sie sofort erbracht werden. Denn im Anschluß an den Klinikaufenthalt ist sie unmittelbar notwendig. Dies gilt auch für den Fall, wenn die stationäre Versorgung vermieden werden soll. Setzt die häusliche Krankenpflege nicht sofort ein, ist der Weg in das ungeliebte Krankenhaus meistens unvermeidbar.

Die Pflegedienste, zumindest die Privaten, sind grundsätzlich bereit, die Pflege in der gewohnten Umgebung sofort aufzunehmen. Damit scheint dem Anliegen des Patienten, gegebenenfalls seiner Angehörigen und des Arztes genüge getan zu sein. Oftmals geht der Ärger dann aber erst richtig los – zunächst für den Pflegedienst. Selbst wenn der Antrag auf Kostenübernahme der Pflegeleistungen, also die ärztliche Verordnung, sofort bei der Kasse eingereicht wurde, heißt dies noch längst nicht, daß alles in Ordnung wäre. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart gab und gibt es immer wieder Fälle, in denen erst eine langwierige Prüfungsprozedur beginnt. Die Kasse gibt die ärztliche Verordnung an ihren Medizinischen Dienst. Der erstellt ein Gutachten. Meistens geht er dabei nach Aktenlage vor. In vielen Fällen wird der ärztlichen Verordnung entsprochen. In vielen anderen Fällen aber nicht. So oder so, das Gutachten geht dann nach mehreren Tagen vom Medizinischen Dienst an die Krankenkasse zurück, wo es ein Sachbearbeiter auf den Schreibtisch bekommt. Hoffen wir, daß er an seinem Arbeitsplatz ist. Das ist keinesfalls selbstverständlich. Folgende Gründe könnten dagegen sprechen:

  1. Er ist im Urlaub.
  2. Er ist krank.
  3. Er ist auf Dienstreise.
  4. Er ist zur Fortbildung über effiziente Arbeitsabläufe oder über Kundenfreundlichkeit.
  5. Er ist auf einer Sitzung.
  6. Er nimmt überstundenfrei.
  7. Er ist wieder krank.
  8. Nun ist er zur Kur.
Krankenkasse

Trifft dies alles nicht zu und wird die Akte von ihm innerhalb von wenigen Tagen bearbeitet, bekommt der Pflegedienst eine Nachricht. In der Regel sind dann 10 Arbeitstage, oftmals sehr viel mehr, vergangen. Es gibt auch Verordnungen, die 4 oder mehr Wochen bei der Kasse oder dem Medizinischen Dienst zur Bearbeitung liegen. Ergeht ein positiver Bescheid, ist zunächst einmal alles in Ordnung. Der Pflegedienst hat die Leistungen entsprechend der Verordnung erbracht und bekommt nach Abrechnung mit der Kasse sein verdientes Geld. Problematischer wird es, wenn der Medizinische Dienst der Auffassung ist, die Häusliche Krankenpflege sei gar nicht nötig. In 99% aller Fälle schließt sich die Kasse dieser Meinung an. Sie behauptet dann, daß sie die Kosten für die ambulante Pflege nicht zu tragen brauche. Dann kann der Versicherte der Entscheidung der Kasse widersprechen. Der Pflegedienst wird ihn dabei sachlich unterstützen. Das ganze Gutachtenverfahren geht dann von neuem los. Noch problematischer ist es allerdings, wenn die Kasse behauptet, daß Teile der ärztlichen Verordnung ”in Ordnung” seien, andere Teile jedoch ”gestrichen” werden, das heißt die Kasse übernimmt die Kosten teilweise nicht. Dies ist mißlich für Patienten, Angehörige und Pflegedienst. Meistens beginnt dann ein nerviger Kleinkrieg um die Kostenübernahme einzelner Leistungen. Oft genug ist er närrisch aus zweierlei Gründen:

  1. Weder der Kassensachbearbeiter noch der Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes haben den Patienten je gesehen.
  2. Der einsetzende Verwaltungsaufwand übersteigt die Kosten der ”gestrichenen” Pflegeleistungen bald um ein Mehrfaches.

Da der Pflegedienst die Kosten für erbrachte Leistungen selbst nicht tragen kann – sonst ist er bald pleite – bleiben die Patienten oder Angehörigen auf ihnen sitzen. Das ist für die primär Beteiligten unangenehm. Dies gilt um so mehr, wenn sich die Familie darauf verlassen hat, daß die Kasse der ärztlichen Verordnung folgt.

Viele Pflegedienste gehen dazu über – oder haben es längst getan – vor Beginn der Leistungserbringung einen Vertrag mit dem Patienten oder, wenn notwendig, mit Angehörigen abzuschließen. Darin wird unter anderem geregelt, wer die Kosten der Betreuung trägt bis die Kasse zahlt, bzw. falls sie dies ganz oder teilweise ablehnt. Früher waren solche Vereinbarungen selten. Das Verhalten der Kassen zwingt jedoch dazu. Besser wäre nach Ansicht des Verfassers eine Regelung, die den Kassen die Befolgung der ärztlichen Verordnung zwingend gebietet. Denn niemand weiß besser als der Hausarzt oder behandelnde Arzt, welche Pflege der Patient braucht. Zumindest weiß er es besser als der Kassensachbearbeiter oder der nur die Akte kennende Medizinische-Dienst-Mitarbeiter. Leider lehnen die Kassen eine solche, wie ich meine sinnvolle und versichertenfreundliche, Regelung ab. Das ist unverständlich. Denn wenn man eine ärztliche Verordnung über bestimmte Arzneimittel zur Apotheke trägt, steht zum Glück auch kein Kassensachbearbeiter davor, dem man sie erst geben muß, der eventuell darin herumstreicht oder der einem im Extremfall die Verordnung sogar wegnimmt.

Heiner Schülke

Veröffentlicht in: AGIL, das Patientenmagazin
Herausgeber: AVAP ArbeitgeberVerband Ambulanter Pflegedienste e.V.
Heft 3/1997