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Der Schmu mit den Rabatten
© Dipl.-Kfm. Kurt R. B. Wanke, mfh, Würzburg

„Kalkuliere, kalkuliere“ ist heute das Motto jedes im Sanitätsfachhandel Tätigen. Kalkuliere, daß zum Überleben nicht genug übrig bleibt, wenn von 35 Prozent oder gar nur 30 Prozent Grundrabatt satte 25 Prozent weitergereicht werden müssen, wie etwa zwischen der hessischen Orthopädieinnung und den Kostenträgern ausgehandelt. Nun ist ja nicht anzunehmen, daß den Verhandlungspartnern auf seiten der Leistungserbringer das Kleine Einmaleins schwerfällt, aber etwas weltfremd scheinen sie mir doch. Betrachtet man sich die heutige Kostenstruktur eines verantwortungsbewußt geführten Sanitätshauses, so dürften 20 Prozent Handelsspanne eher am unteren Rand des Kalkulationsrahmens liegen. Nur Milchmädchen rechnen anders, und werden entweder von größeren Mitbewerbern geschluckt, oder gehen früher oder später den bitteren Weg zum Amtsgericht.

Wenn vertragsgemäß 25 Prozent des EK an den Kostenträger weitergereicht werden müssen, setzt das also mindestens 45 Prozent Nachlaß auf den Listenpreis voraus, und da kommt wieder das berühmte Milchmädchen ins Spiel. Welchen Rabatt soll ein Hersteller dann dem Großhandel einräumen, der ja schließlich auch nicht vom Geldwechseln lebt? 60 Prozent, 65 Prozent, 70 Prozent? Das Ende vom Lied sind Mondpreise, die keinerlei Rückschluß mehr auf die gebotene Qualität des Produkts zulassen.

Beim Kauf von Autos ist das Angebot bei weitem nicht so undurchsichtig: ein Auto für DM 60.000,- muß deutlich mehr bieten, als eines für DM 30.000,-. Vorbei sind die Zeiten, wo man den „Großen Namen“ widerspruchslos mitbezahlte. Anders in der Hilfsmittelbranche. Hier sind es nicht zuletzt die Etablierten, die in Sachen Innovation und Qualität oft nur im Mittelfeld rangieren, die aber aufgrund ihres Namens und ihrer Umsätze, vor allem aber wegen irreführender Listenpreise eher mit Rabatten asen können, als pfenniggenau kalkulierende kleinere Mitbewerber.

Noch ein Fakt spielt mit hinein: jeder Berufstätige versteht heute einiges vom Auto, schon weil er es täglich benutzt und sich ggf. über dessen teure Macken ärgert. Wenn die Entscheidungsträger auf dem Sektor Hilfsmittel auch nur ansatzweise so viel vom Metier der Hilfsmittel verstünden, wäre es um deren Qualität und Kalkulation anders bestellt. Hinzu kommt noch, daß in den Verhandlungsgremien der Innungen regelmäßig Mitglieder der Elefanten der Branche sitzen, denen aufgrund ihrer Nachfragemacht Rabatte nachgeworfen werden, von denen kleinere Betriebe nur träumen können. Da kann man freilich gönnerhaft 25 Prozent weitergeben.

Besserung der Situation ist allenfalls dann zu erwarten, wenn auf Seiten der Kostenträger Verhandlungspartner sitzen, die dieses Nullsummenspiel durchschauen, das nicht nur zu einer wettbewerbswidrigen Konzentrierungstendenz auf der Anbieterseite führt und kleine nachwachsende Hersteller ausgrenzt, sondern auch zu einer Verzerrung des wahren Kosten- /Nutzenverhältnisses der beschafften Hilfsmittel einschließlich der unver- zichtbaren Serviceleistungen durch den Fachhandel.

Veröffentlicht in: MTD
Medizin-Technischer Dialog
MTD-Verlag GmbH + Co. Informations KG, Heft 5/1998